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Erfahrungen
Ich nehme seit 2 1/2
Jahren regelmäßig Stunden in Alexander-Technik. Hauptsächlich
kam ich aus Neugier zur Alexander-Technik, als durch die Volkshochschule
ein Wochenendseminar angeboten wurde. Ich hatte keine besonderen
Beschwerden, fühlte mich zwar oft abgespannt und lustlos, unzufrieden
und bin schnell in Niedergeschlagenheit abgerutscht. Dieser negative
Gesamtzustand war für mich jedoch so ungreifbar und undefinierbar,
dass ich der Alexander-Technik zunächst auch mit einer skeptischen
Einstellung gegenüberstand, nachdem ich bereits einige andere
"Methoden" ausprobiert und wieder aufgegeben hatte, z.B.
Autogenes Training und Meditation, da sie mich nicht zufriedenstellten.
Was mich an der Alexander-Technik dann aber doch von Anfang an
sehr angenehm berührte, war die sanfte und undogmatische Art
und Weise, in der diese Technik nahegebracht wurde; eine Technik,
die nicht erfordert, dass der Schüler eine bestimmte Glaubensrichtung
oder Weltanschauung einnehmen sollte, sondern die auf völlig
neutralen und verständlichen Grundsätzen beruht, was in
meinen Augen die Alexander-Technik so menschlich und natürlich
macht.
Es dauerte über ein Jahr, bis ich die Alexander-Technik anfangen
konnte in meinem Leben einzusetzen. Doch hatte ich von Anfang an
das Gefühl, dass diese Technik etwas bereithält, was ich
noch nicht erkennen kann. Es war (und ist oft noch immer) wie ein
Nebel, durch den ich nur ganz undeutlich und verschwommen hindurchsah,
aber mit der Gewissheit, dass er sich lichten wird. Es war diese
Überzeugung, dass Alexander-Technik mehr sein muss als auf
den ersten Blick erkennbar, die mich weitermachen ließ und
noch immer lässt.
Obwohl zuvor schon so oft gehört, habe ich erst durch die
Alexander-Technik wirklich begriffen, was es bedeutet, dass Körper
und Geist eine untrennbare Einheit sind, dass der Zustand der einen
Hälfte die andere Hälfte beeinflusst. Ich habe gelernt,
dass ich durch eine unverkrampfte Körperhaltung auch unverkrampfte
Gedanken fördern kann.
Für mich ist die "mentale Veränderung", die
sich durch Anwendung der Alexander-Technik ergibt, der wichtigste
Aspekt, da ich keine direkten körperlichen Probleme hatte,
aber oft von Niedergeschlagenheit und Ängsten heimgesucht wurde.
Inzwischen bin ich insofern davon befreit, als mich diese Gefühle
nicht mehr überschwemmen und ausbrennen, sofern ich mir einen
klaren Kopf bewahren und mit diesen Zuständen umgehen kann.
Je besser es mir gelingt, mich körperlich zu öffnen und
nach oben auszurichten, desto deutlicher kann ich mich selber und
damit auch meine Umwelt, die anderen Menschen, wahrnehmen und spüren.
Auch schwierige Situationen sind dadurch besser zu bewältigen:
Wenn ich mit mir selbst in Kontakt bin, scheine ich instinktiv zu
wissen, wie ich mich verhalten oder was ich sagen möchte, ich
muss mir nicht darüber den Kopf zerbrechen, was oft unnatürlich
und künstlich wird.
Ich kann auch insgesamt dem Alltag mit seinen täglich wiederkehrenden
Routinebabläufen und -verrichtungen mehr Befriedigung abgewinnen,
weil ich viel intensiver mit meinem ganzen Körperempfinden
dabei bin. Ich habe durch die Alexander-Technik auch gelernt, manche
meiner Lebenseinstellungen und Überzeugungen mit Abstand zu
betrachten und zu prüfen, ob sie hilfreich sind oder mir eher
im Wege stehen.
Irgendwann habe ich gemerkt, dass es Gefühle gibt, die mich
beherrschen und mir viel Energie nehmen, und andere, die etwas in
mir lösen. Wenn ich z.B. wütend oder ärgerlich bin
und mich dennoch darauf konzentrieren kann, ruhig zu bleiben und
meinen Nacken nicht anzuspannen, spüre ich, dass die Wut nachlässt
und das eigentliche Gefühl dahinter an die Oberfläche
kommt, z.B. sehr oft Traurigkeit. Ich bin in Wirklichkeit nicht
wütend über eine Sache, sondern traurig darüber.
So werde ich allmählich sensibler dafür, welche Gefühle
"echt" sind und welche Gefühle etwas anderes verdecken.
Ich lerne auch, feiner wahrzunehmen, wenn ich mich vor allem in
schwierigen Situationen wieder automatisch anspanne und zusammenziehe
und dadurch in die üblichen Gedankenmuster komme, die meistens
in einer Sackgasse enden. Ich habe dann bereits diesen Automatismus
unterbrochen und kann besser bei mir selbst sein, anstatt von den
Gedanken fortgetragen zu werden. Bei all diesen Veränderungen
spüre ich auch, dass es nicht darum geht, zu sich selbst zu
finden um seiner selbst willen, sondern weil man nur dadurch auch
die anderen Menschen wirklich annehmen kann.
Damit komme ich zu der größten Veränderung in meinem
Leben, zu der ich ohne die Alexander-Technik nicht den Mut gehabt
hätte. Ich habe es endlich gewagt, als die Möglichkeit
gegeben war, meinen Beruf als Fremdsprachensekretärin aufzugeben
und als Betreuungshelferin in einem Wohnheim für geistig behinderte
Menschen ganz neu anzufangen. Dabei erging es mir wie in den ersten
Alexanderstunden: Die neuen Aufgaben in dem ungewohnten Umfeld waren
ein dichter Nebel für mich, durch den ich mich langsam und
über viele Stolpersteine hinweg durchtasten musste, doch auch
hier hatte ich vom ersten Tag das Gefühl, dass der Nebel sich
schließlich auflösen wird. Mittlerweile kann ich mir
keine andere Tätigkeit mehr vorstellen und möchte in 1
1/2 Jahren mit einer entsprechenden Ausbildung beginnen.
Gerade bei dieser Arbeit merke ich deutlich, dass ich dann eine
gute und echte Verbindung zu den Menschen im Wohnheim bekommen,
wenn ich mit mir selbst in Kontakt bin. Ich kann mir nicht mehr
vorstellen, ohne die Alexander-Technik durchs Leben zu gehen. Ich
habe inzwischen viel gelernt, wofür ich sehr dankbar bin, doch
gleichzeitig wird mir auch bewusst, wie viel mir noch fehlt.
Ich habe mit meinen Ausführungen nur einen Bruchteil meiner
Erfahrungen geschildert, und wiederum sind auch diese nur ein Bruchteil
des ganzen Alexander-Technik-Spektrums. Hinter jeder Türe,
die sich einem öffnet, kommt eine neue, die sich auch erst
wieder öffnen muss, doch die Räume dahinter werden immer
größer und heller. Es wächst das Vertrauen in die
eigenen Möglichkeiten, dass sich auch die nächste Türe
für einen öffnen wird.
Dies bedeutet die Alexander-Technik für mich: Das Vertrauen
in sich selsbt zu stärken. Es geht nicht darum, ein glücklicher
Mensch zu werden, sondern zu erkennen, auf welchem Wege man sich
dem Glück annähern kann.
Monika S., 41, Betreuerin
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