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Geschichte
Der Horizont weitet sich
Alexander-Technik zur Entwicklung körperlich-geistiger
Bewusstheit
Alexander in London
1904 verließ Alexander auf Rat eines befreundeten Arztes
Australien, um in London seine Arbeit einem größeren
Publikum vorzustellen. Bald schon sprachen sich in Londons Theaterwelt
die Fähigkeiten Alexanders herum. „Man ging zu Alexander“,
wenn die herkömmlichen Mittel zur Wiederherstellung der überforderten
und heiseren Stimme versagten. 1906 fasste Alexander seine Entdeckungen
und die Grundlagen seiner Unterrichtstechnik in einer Schrift zusammen,
die den Titel trug: Introduction to a New Method of Respiratory
Vocal Re-Education (Einführung zu einer neuen Methode zur Neuschulung
von Atem und Stimme). Doch wurde er sich im Laufe der Zeit immer
mehr bewusst, dass seine Entdeckungen weitreichendere Anwendungsmöglichkeiten
boten als bloß die Atem- und Stimmschulung.
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Falsches
Atmen war, wie Alexander zu erkennen begann, eben nur ein mögliches
Symptom, das durch falschen Selbstgebrauch verursacht wurde. Störungen
in Bewegung und Haltung, nervöse Leiden, Stressreaktionen,
ungünstige Lebenseinstellungen und schädliche Gewohnheiten,
allgemeine Unausgeglichenheit und Ineffizienz im Handeln –
lang ist die Liste der Schwierigkeiten, die von ungünstigem
Selbstgebrauch verursacht oder mitverursacht werden können.
Für Alexander deuteten diese Schwierigkeiten, die sich durch
immer neue spezifische Korrekturen und Therapien nicht bändigen
ließen, auf eine gemeinsame Ursache, eine „primäre
Ursache" im Leben des vergesellschafteten Menschen: den unbewusst
fehlerhaften Gebrauch seiner geistig-körperlichen Funktionen
und die daraus folgende Unfähigkeit, konstruktiv auf die Reize
der sich ständig verändernden Zivilisation zu reagieren.
Alexander arbeitete nun immer mehr auch mit Menschen, die nicht
mit dem Schauspielberuf zu tun hatten. Ärzte schickten ihm
Patienten, bei denen herkömmliche Behandlungsmethoden versagt
hatten, und er erzielte verblüffende Erfolge bei den verschiedensten
körperlichen und psychischen Beschwerden.
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Die
Entwicklung einer Technik
Seine Bücher Des Menschen höchstes Erbe (1910) und Constructive
Conscious Control of the Individual (Konstruktive bewusste Kontrolle
des Individuums, 1923) spiegeln die Entwicklung einer Technik wider,
die sich inzwischen dem übergreifenden Thema umfassender körperlich-geistiger
Selbstbewusstheit gewidmet hatte. Alexander vertrat die Ansicht,
dass sich der Mensch trotz seiner wissenschaftlich-technischen und
geistigen Fortschritte im konkreten Umgang mit dem eigenen Organismus
noch auf einer unterentwickelten, unbewusst-instinktiven Stufe befand.
Der durchschnittliche Mensch in der zivilisierten Gesellschaft habe
kein klares bewusstes Verständnis davon, wie die einfachsten
Alltagshandlungen organisch effektiv ausgeführt werden können,
und reagiere auf die Veränderungen der modernen Zivilisation
mit psychischen und motorischen Fehlanpassungen und Stress. Die
meisten Menschen, so Alexander, trieben die einseitige Förderung
mentaler Fähigkeiten ohne Integration in den Gesamtorganismus
voran und formten den überreizten Körper mit konstruierten
Übungssystemen nach falschen Idealen. Der Mensch müsse
ein integriertes geistig-körperliches Bewusstsein für
sich selbst entwickeln, nicht theoretisch, sondern praktisch, im
täglichen Handeln. Nur so könnte der Einzelne die in ihm
angelegten Fähigkeiten zur Entfaltung bringen.
Die körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklungsmöglichkeiten
des Menschen sind größer, als wir immer gedacht haben,
vielleicht sogar größer, als der menschliche Geist in
seinem jetzigen evolutionären Stadium erfassen kann. Und die
gegenwärtige Weltkrise liefert uns genügend Beweise, dass
die bekannten Prozesse, die wir Zivilisierung und Erziehung nennen,
für sich allein nicht geeignet sind, jenes höchste Erbe
anzutreten, das in der vollständigen Kontrolle unserer eigenen
Entwicklungsmöglichkeiten liegt.
F.M. Alexander, Man´s Supreme Inheritance, 1910
1930 begann Alexander in London mit der Ausbildung von Lehrern
der Alexander-Technik. Zugleich wandte sich Alexander der Kindererziehung
zu. Er gründete Schulen, in denen die Schüler neben den
akademischen Fächern auch eine Anleitung zu ihrer körperlich-geistigen
Entwicklung erhielten. Die Schule musste infolge der Kriegswirren
schließen, aber Alexander setzt seine Bemühungen fort,
die Öffentlichkeit mit seiner Arbeit bekannt zu machen. Es
folgte die Veröffentlichung seiner Bücher Der Gebrauch
des Selbst (1932) und Die Universelle Konstante im Leben (1940).
Alexander verstand seine Arbeit nie als abgeschlossene Methode,
sondern als "work in progress". Fast 80-jährig, bemerkte
er: „Ich höre nie auf, an mir zu arbeiten - ich wage
es nicht." Alexander starb 1955 in London. Seine Arbeit wurde
von seinen Schülern fortgesetzt und weiterentwickelt.
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weiter im Text: Schauen
und sich wundern
Photograph of F. M. Alexander © 2005, The Society of
Teachers of the Alexander Technique, London.
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